Der Kunst LK bei Herrn Papp

oder: Maybe I’m paranoid …

Kunst-LK bei Herrn Papp

Da stand ich nun – schnaufend – um kurz vor dreiviertel acht, vor dem Saal 409 im vierten Stock des Schiller-Gymnasiums, den ich als „Jean-Paulianer“ kaum gefunden hatte, und harrte der Dinge, die da kommen würden. Nachdem ich als einziger „Fremdling“ aus einem der „bösen feindlichen Gymnasien“ ans Schiller importiert worden war, hatte ich keine Ahnung, daß …

  1. Ich mir in den kommenden zwei Jahren eine unglaubliche Ausdauer beim „Treppensteigen“ antrainieren würde und
  2. Ich mich mit den anderen 9 „Mitstreitern“ (der Zehnte ging irgendwo zwischen dem „Sturmbild“ und dem realistischen Abzeichnen von Adlern, Widderköpfen und anderen „Beinlichkeiten“ verloren) sofort anfreunden würde.

So stand ich nun da und wartete, wartete, wartete … und da kamen sie: Die 10 Kollegiaten, die wie ich den Kunst-LK gewählt hatten, der womöglich genauso oft wie der Sport-LK als „Abseiler-LK“ genannt wird.
Eine Anmerkung für diejenigen unter euch, die immer noch dem Irrglauben verfallen sind, daß man in Kunst „nix lernen“ braucht: Der Kunst-LK ist weder eine Ersatzlösung noch ein „Aussteiger-LK“: Außer dem Fünkchen Talent muß man eine gewisse Wahnsinnigkeit und „Lernlust“ mitbringen, wenn man diese zwei Jahre durchstehen will.
So, nun war es also „kurz vor acht“ und der „Trainer“ Gabor Papp läutete die erste Runde ein oder – besser gesagt – konfrontierte uns mit dem Lehrplan der folgenden zwei Jahre. Ich war schockiert: In jedem Halbjahr ein Referat, dazu das Aneignen eines Wissens, das drei 300-Seiten-Bücher umfaßte (weitere 2 Bücher mit je 200 Seiten waren nur als „Bettlektüre“ und zum Überfliegen und Aneignen gedacht) und dann noch das Erlernen von jedmöglichen künstlerischen Techniken.
In der Praxis setzten sich diese Lehrplanziele dann ungefähr so um:
Referate mußten wir zum Glück in den zwei Jahren nur zwei halten, wobei sich einige sogar vor dem zweiten Referat drücken konnten.
Das Ziel mit dem Aneignen des theoretischen Kunstgeschichtswissen wiederum ließ sich nicht wirklich relativieren und so waren wir zumindest von dem Trainer aufgefordert gewesen, so gut wie jede Seite in den Büchern einmal gesehen zu haben und am besten auch gleich fürs Abitur zu lernen. Glücklicherweise besprachen wir aber so gut wie alle wichtigen Epochen und Strömungen im Unterricht und mußten somit nur vertiefend daheim nachlesen. Dadurch wurden wir zwangsläufig „Kinder der Finsternis“; wir verbrachten ungefähr die Hälfte unseres LK-Daseins im „verdunkelten Zimmer“ (ab und zu fragte man sich schon, ob der Kursleiter überhaupt Tageslicht ertragen würde) und bei den „kunstgeschichtlichen Monologen“ des Meisters, der aber stetig bemüht war, uns bei Laune zu halten und neben der trocknen Theorie ab und an auch einzelne Anekdoten oder Schwänke aus seiner Jugend erzählte („Damals in der Renaissance, als ich noch jung war …“).
Zeitweise wies er uns auch darauf hin, daß wir aufpassen sollten, daß unsere Prionen nicht umkippen oder gab uns nicht unbedingt ernstgemeinte Tips für die nächste Urlaubsplanung („Bucht billigen Nahost-Urlaub!“).
Doch zum Glück besteht der Kunst-LK ja nicht nur aus Theorie. So erlernten wir sämtliche künstlerische Techniken: Wir zeichneten abstrakt, realistisch, mit Bleistift, Kohle und Acrylfarbe, wir malten und zeichneten auf Papier und Hartfaserplatten, tonten, fertigten Kaltnadelradierungen an und erlernten die Technik des Linolschnittes.
Dabei war dem Meister aber nicht immer so ganz klar, was wir auf unseren Bildern darstellen wollten: Dementsprechend mußte teilweise auch erst Überzeugungsarbeit geleistet werden, bevor die kreativen Ziele vom Trainer akzeptiert und verstanden wurden; z. B. mußte Nicole beweisen, daß die Bewegung ihrer Figur auch real auszuführen war, was diese Bewegung auch wirklich war, doch nicht mit der Jeans, die sie an diesem Tag das letzte Mal trug!!!
Während der ausgedehnten Praxisblöcke bekamen wir auch einen Einblick in den Musikgeschmack des Meisters; nicht nur, daß er uns diese Musik aus der „Konserve“ vorspielte; es kam auch schon mal vor, daß er versuchte, unsere Stimmung und Kreativität zu steigern, indem er selber zur Gitarre griff … und dazu Englisch sang (zeitweise dachte man auch, man hätte sich versehentlich in den Englisch-LK verlaufen, da Herr Papp wild entschlossen war, unsere – und vor allem seine – Englischkenntnisse aufzubessern, indem er „zweisprachig“ referierte).

Drei weitere LK-Highlights dürfen auf keinen Fall unterschlagen werden:

  1. Die Ausstellung in der Freiheitshalle, die zum Großteil aus unseren Werken bestand und uns allen die Möglichkeit gab, einem breiten Publikum unser „Talent“ und vor allem unsere „Hyperaktivität“ zu zeigen (Danke noch mal für diese Möglichkeit!!!).
  2. Die Studienfahrt nach Weimar, wo wir verschiedene Ausstellungen besuchten und Herr Papp seine zerstörerische Ader an einem kinetischen Op-Art-Werk von Günther Uecker ausließ (wir hatten ihn gewarnt, daß man nur kurz auf den Bewegungs-Schalter drücken sollte …).
  3. Dementsprechend machten wir uns dann klammheimlich und vor allem schnell aus dem Staub.

So bleibt letztendlich zu sagen, daß wir einen Unterricht genießen durften, der uns optimal aufs Abi vorbereitet hat (sogar die Steckdosen sprühten zeitweise vor lauter Begeisterung für den „Trainer“ Funken), obwohl wir vor allem in der letzten Zeit „so zersetzend“ wurden und nicht unbedingt sehr effektiv arbeiteten (Man hat halt leider nicht nur einen LK, sondern noch einen zweiten und dazu auch zahlreiche Grundkurse).
Am Schluß noch ein paar Hinweise zum Umgang mit dem Meister:

  1. Niemals „Nebelbilder“ (= Bleistift schräg halten) malen
  2. Bestechungsversuche klappen zu 90 % nicht und wenn, dann nur mit Kaffee, Coca Cola („light“ versteht sich!) oder Gummibärchen
  3. Herr Papp wollte in seiner Jugendzeit (damals in der Renaissance!) „Baggerfahrer, Polizist oder Seemann“ werden, was sich manchmal noch im Umgang mit Drucktischen oder Spielzeugautos niederschlägt (dieses Triebausleben muß man live erlebt haben, es ist unbeschreiblich)
  4. Beim „Müllbasketball“ wird es wohl auf Ewigkeiten keinen angemessenen Gegner für Herrn Papp geben, denn es ist seine Disziplin! Doch – um Konflikten aus dem Weg zu gehen – sollte man trotzdem immer beachten, daß, falls der „Trainer“ doch mal nicht treffen sollte, es niemand gesehen hat!
  5. Bei der Facharbeit immer auf den roten Faden achten, und falls dieser im Inhalt aus ungeklärten Gründen abhanden kommen sollte, einen roten Wollfaden in den Theorieteil mit einlegen
  6. Falls ihm ein „Kunstwerk“ am ersten Tag nicht gefallen sollte, dann einfach in der nächsten Stunde dasselbe noch einmal vorlegen (Kunst ist subjektiv und stimmungsbedingt!) und dabei immer bedenken: „Wenn ihr Probleme habt, kommt nicht zu mir, geht zum Arzt!“ – dieser Ausspruch war aber, denke, weiß und hoffe ich, zumindest nicht wirklich ernst gemeint.

Es waren echt zwei ganz tolle Jahre – klar, es gibt wie überall auch hier nicht ganz so schöne Zeiten, doch ich werde diesen LK und alle Teilnehmer echt vermissen!!!

Constanze Fehn